Im breiten Spektrum von Helvetia finden sich unterschiedlichste Themen, Ansätze und Perspektiven. Ob es darum geht, das Leben und Werk einer historischen Persönlichkeit zu erforschen, aktuelle Herausforderungen in einem bestimmten Bereich zu analysieren oder über die Auswirkungen eines bedeutenden Datums nachzudenken, Helvetia lädt uns ein, in ein Universum voller Möglichkeiten einzutauchen. Mit diesem Artikel begeben wir uns auf eine faszinierende Reise, die es uns ermöglicht, Helvetia aus verschiedenen Perspektiven zu entdecken, zu lernen und darüber nachzudenken.
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Helvetia (Begriffsklärung) aufgeführt.
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Helvetia ist die vom Volksstamm der Helvetier abgeleitete neulateinische Bezeichnung für die Schweiz und eine allegorische Frauenfigur, welche die Schweiz bzw. die Eidgenossenschaft versinnbildlicht.
Helvetia wurde erstmals im 17. Jahrhundert als aus den Kantonsallegorien gebündelte Frauengestalt und Identifikationsfigur für die Eidgenossenschaft erwähnt: Zuerst 1642 als rein geografisch zu verstehende Figur in der Topographia Helvetiae von Matthäus Merian d. Ä., dann 1672 als auch politisch zu verstehende Bühnenfigur in Johann Caspar Weissenbachs Stück Eydtgenossisch Contrafeth Auff- und Abnemmender Jungfrawen Helvetiae. Er und mehrere Künstler, die gleichzeitig Helvetia bildlich darstellten, schufen eine neue Identifikationsfigur für die Einheit der Eidgenossenschaft in Zeiten der Entzweiung vor allem durch konfessionelle Streitigkeiten. Diese zeugte auch vom gestiegenen Selbstbewusstsein und vom Anspruch auf einen souveränen Status, nachdem den eidgenössischen Orten unter der Ägide des Basler Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein im Westfälischen Frieden (1648) «Freiheit und Exemtion» vom Heiligen Römischen Reich gewährt worden war.
Mit dem wachsenden Nationalbewusstsein im 19. Jahrhundert und der Gründung des schweizerischen Bundesstaates 1848 gewann Helvetia als Nationalallegorie an Bedeutung. Sie erschien auf Münzen und Briefmarken und in politischen und patriotischen Darstellungen. So wurde z. B. zwischen 1883 und 1896 die Helvetia als Vorläuferin des Goldvrenelis herausgegeben.
Bis heute befindet sich das Bildnis der Helvetia auf den Münzen zu ½, 1 und 2Franken (stehend). Das Porträt auf den Münzen zu 5, 10 und 20 Rappen bildet entgegen der landläufigen Meinung nicht die Helvetia, sondern die Libertas ab.
Heutige Verwendung des Begriffs
Auf Briefmarken und Münzen wird «Helvetia» als Landesbezeichnung verwendet, weil damit keine der vier Landessprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch) der Schweiz bevorzugt wird. Aus demselben Grund wurde das lateinische Landeskennzeichen CH gewählt, die Abkürzung für Confoederatio Helvetica, Schweizerische Eidgenossenschaft.
In irischer(an Eilvéis),griechischer (Ελβετία,translit. Elvetia) und rumänischer Sprache (Elveţia) wird der Ausdruck «Helvetia» als Landesname für die Schweiz verwendet, im Italienischen ist als Adjektiv elvetico (für schweizerisch) gebräuchlich.
Das «Einschweizern» von Dingen wird auch als helvetisieren bezeichnet. Das kann beispielsweise eine ausländische Software sein, die auf Schweizer Gegebenheiten angepasst wird (beispielsweise Mehrwertsteuer), oder ein bundesdeutscher Text, der in Schweizer Hochdeutsch übertragen wird, wie beispielsweise in der Werbung. In der Sprachwissenschaft bezeichnet der Begriff Helvetismus einen Ausdruck, der für die schweizerische Standardvarietät charakteristisch ist. Wissenschaften zur Schweiz werden bisweilen als Helvetistik bezeichnet, beispielsweise von der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität in Moskau.
An der Mittleren Brücke in Basel, auf der Kleinbasler Uferseite, befindet sich die Skulptur «Helvetia auf der Reise», die 1980 von der Basler Künstlerin Bettina Eichin angefertigt wurde.
Der Frauenverband alliance F rief ab 2019 unter dem Titel «Helvetia ruft» dazu auf mehr Frauen ins Parlament zu wählen.
Im Jahr 2020 gründeten Parlamentarinnen den FC (Fussballclub) Helvetia. Der FC Helvetia sei die Antwort auf den 1967 gegründeten FC Nationalrat, wo seit 1997 auch Frauen mitspielen dürfen.
Im Jahr 2023 wurde die Darstellung einer sitzenden Helvetia mit einer Bundesverfassung neben sich als Logo für das Jubiläum 175 Jahre Bundesverfassung verwendet.
Fotogalerie Statuen der Helvetia
Stehende Helvetia, die den Namen Politische Unabhängigkeit trägt, Bundeshaus, Bern
Gianni Haver: Dame à l’antique avec lance et bouclier: Helvetia et ses Déclinaisons, in: Gonseth M.-O./Knodel B./Laville Y./Mayor G. (Hg.): Hors-champs. Eclats du patrimoine culturel immatériel, Musée d’ethnographie de Neuchâtel, 2013, S. 274–282.
Georg Kreis: Helvetia – im Wandel der Zeiten. Die Geschichte einer nationalen Repräsentationsfigur. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1991, ISBN 3-85823-316-1.
Thomas Lau: «Stiefbrüder». Nation und Konfession in der Schweiz. Böhlau-Verlag, Köln u. a. 2008, ISBN 978-3-412-14906-2, S. 397–419, 455–459. (Zugleich Habil-Schrift 2005)
Thomas Maissen: Von wackeren alten Eidgenossen und souveränen Jungfrauen. Zu Datierung und Deutung der frühesten «Helvetia»-Darstellungen, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 56 (1999), S. 265–302.
Thomas Maissen: Die Schöpfung der Helvetia in der bildenden Kunst und in der Dichtung, in: Stefan Hess/Tomas Lochman (Hg.): Basilea. Ein Beispiel städtischer Repräsentation in weiblicher Gestalt, Basel 2001, S. 84–101.
Thomas Maissen: Die Geburt der Republic. Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft (= Historische Semantik. Bd. 4). Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-36706-6, S. 253–277 (Zugleich: Zürich, Univ., Habil.-Schr., 2001).
Marie-Louise Schaller: Helvetia. Vorbilder – Wunschbilder. Begleitheft zur Ausstellung in der Zentralbibliothek Luzern, 15. Mai – 11. Juli 1998, Luzern 1998.
Angela Stercken, Enthüllung der Helvetia. Die Sprache der Staatspersonifikation im 19. Jahrhundert (= Historische Anthropologie. Bd. 29). Reimer, Berlin 1998, ISBN 3-496-02641-3 (Zugleich: Basel, Univ., Diss., 1996).